Erfahrungen mit Naturschallwandlern

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...Minderung der Hörfähigkeit wird von einem sensiblen Menschen als belastend wahrgenommen, obwohl in manchen Fällen, besonders bei nur einseitiger Hörminderung, diese Minderung teilweise noch kompensiert werden kann

Zwar fällt die Hörminderung dem Betroffenen erst dann wieder deutlich auf, wenn räumliches Hören gefordert ist. Die meisten Menschen aber ziehen es vor, ihre Schwäche niemanden merken zu lassen…

Auch wer sich beruflich mit Musik beschäftigt und einen Hörverlust erleidet, kann eine Zeitlang versuchen, diese Schwäche zu verdecken. Da Hörverluste aber im Laufe der Lebensjahre im Allgemeinen zunehmen, kommt für jeden Betroffenen einmal der Punkt, wo man diese Schwäche zuerst sich selbst und dann seinen Mitmenschen eingestehen muss.

Im Fall von Musikern ist es bis heute weitgehend so, dass man mindestens bis zum Erreichen des Rentenalters diese Schwäche zu „verstecken“ sucht.

Für mich, der ich reichlich 3 Jahrzehnte als Dirigent arbeiten konnte, war der „im besten Alter“ auftretende Verlust meines Gehörs eine Katastrophe, der ich mich anfangs schutzlos ausgeliefert sah. Vom ersten Auftreten einer einseitigen Innenohrstörung bis zur eindeutigen Diagnose der Krankheit vergingen zwei Jahre. Die Diagnose konnte dem Problem zwar einen Namen geben (Morbus Meniere), aber letztlich bestätigte sie nur, dass die Erkrankung unumkehrbar ist. Dazu kam nach einigen Jahren noch die Erkrankung des anderen Ohres, womit meiner Tätigkeit als Dirigent endgültig ein Ende gesetzt worden war.

Das Wort „Hörminderung“ beschreibt den Eintritt von Schwerhörigkeit nur sehr unzureichend, denn mit dem Rückgang der dynamischen Schallwahrnehmung (feststellbar im Audiogramm) geht auch eine Veränderung der Tonhöhenwahrnehmung einher, bei der selbst klare Schallwellen eines Musikinstruments verzerrt wahrgenommen werden, etwa so, wie man ein klirrendes oder zerspringendes Glas hört.

Wenn im Lauf der Zeit das Hörzentrum im Gehirn sich wieder in die Lage versetzt, Schallwellen präziser zu analysieren, stellt man fest, dass die höheren Töne (über der mittleren Oktave des Klaviers) wesentlich höher klingen, als nach den gleichen Töne in tieferer Lage zu erwarten wäre. Diese Divergenz kann man auch beim Singen zwischen Frauen- und Männerstimmen bemerken.

Nur Musiker oder musikalisch ausgebildete Menschen werden diese Dinge aufgrund ihres langjährigen Umgangs mit dem Tonsystem genau benennen können, aber aus Eitelkeit oder „Sorge um den Arbeitsplatz“ wird unter Berufsmusikern zumeist nicht darüber gesprochen…   

Man kann sich vorstellen, dass ich nach der Erkenntnis über meinen hochgradigen Hörverlust bzw. meinem eigenen „Eingestehen“ dieser Tatsache in vielen Richtungen gesucht habe, therapeutische Wege der Behandlung  meiner Krankheit zu finden. Ich habe vielen Ärzten und Heilpraktikern zu danken, die mit mir gesucht, mich aber auch über die zu erwartende Entwicklung aufgeklärt haben. Das Fazit war, dass diese Erkrankung „irreversibel“, also unumkehrbar ist. Ebenso habe ich aber auch vielen Menschen zu danken, die mir Wege zur inneren Stabilisierung  gewiesen haben, vor allem Psychologen, Physiotherapeuten und Hörgeräteakustikern.

Der von mir gesuchte Hauptweg zur inneren Stabilisierung aber war der „Rückweg zur Musik“, und den habe ich besonders zwei Hilfsmitteln zu danken, zum einen meinem Klavier, und zum anderen dem Lautsprechersystem, den so genannten „Naturschallwandlern“.

Über die technische Wirkungsweise der Naturschallwandler kann man sich andernorts informieren. Ich will in diesem Rahmen nur berichten, wie es mir ergangen ist und wie ich diese Lautsprecher bis heute erlebe:

Im Rahmen meiner Suche nach geeigneten Therapeuten kam ich zu einer HNO Ärztin, die Hörstörungen u.a. mit Schalltherapie behandelt, und zwar unter Anwendung dieser „Naturschallwandler“. Man sagte mir nach Feststellung meines Audiogramms, dass Schalltherapie bei solch hochgradigem Hörverlust kaum Chancen auf Verbesserung ergibt. Experimente mit Schalltherapie waren mir schon länger bekannt, weil ich auch die Klinik von Prof. Alfred Tomatis in Paris aufgesucht hatte. (Dort werden Hörstörungen mittels speziell bearbeiteter Schallwellen über Kopfhörer therapiert).

Heute werden Therapieversuche mittels Naturschallwandler im Allgemeinen als  „Rausch-Therapie“ durchgeführt. In meinem Fall wurde dies sinnvollerweise durch Musikaufnahmen ergänzt. Dabei erlebte ich wie durch ein Wunder das Wiederentdecken des Orchesterklanges:

Musik, die über Lautsprecher zu hören ich in letzter Zeit weitgehend vermieden hatte, konnte ich über die Naturschallwandler wieder genießen und „verstehen“.  Das ging sogar soweit, dass ich die Instrumente des Orchesters wieder räumlich zuordnen und die verschiedenen Klangfarben unterscheiden konnte.

Im Lauf der Therapieversuche brachte ich dann auch eigene CD´s mit und konnte die Wahrnehmungsunterschiede zwischen meinen eigenen Lautsprechern zu Hause und den Naturschallwandlern in der HNO Praxis weiter studieren.

Man klärte mich auf, dass meine verbesserte Wahrnehmung die Folge des erhöhten Anteils des Körpers und seiner Wahrnehmungsfähigkeit von Schalls sei. Diese Körperwahrnehmung mag ja jedem Discobesucher bekannt sein, aber mit den Naturschallwandlern erlebt man eben nicht nur das „Wummern“ ganz tiefer Frequenzen, sondern man empfindet die ganze Skala des Instrumentariums als ein „Eingehüllt-Sein“ in den Klang, und zwar in ganzer dynamischer Breite.

Nachdem ich mir ein Paar Naturschallwandler (mit Bass-Box ) gekauft hatte, stellte sich beim häuslichen Gebrauch die Tatsache ein, dass ich den Klangregler weniger weit nach oben drehen musste als bisher, denn der Klang der Musik erreichte mich nun auf allen Frequenzen. Anders gesagt: die Schwäche meines Innenohres wird kompensiert durch meine Körperwahrnehmung des Klanges. Und das geschieht dank der speziellen Schallausbreitung der Naturschallwandler.

Das andere „technische Hilfsmittel“ für den Rückweg zur Musik, mein Klavier, habe ich danach wieder mehr und mehr aktiviert. Zuerst war es für mich am wichtigsten, das Intervall einer Oktave aufs Neue zu „erlernen“.

(Bei sog. „Blindversuchen“ war klargeworden, dass meine Tonhöhenerkennung auch bei einfachsten Intervallen versagte. Das genauer zu erklären, wäre eine Promotionsarbeit für einen Audiologen wert.)

Heute aber, am Ziel meines „Rückweges zur Musik“ steht die Tatsache, dass ich wieder so Klavierspielen kann, wie ich es zur Zeit des Zusammenbruchs meines Gehörs mir kaum hätte erträumen können.

Und damit nicht genug: ich trete wieder in öffentlichen Konzerten als Liedbegleiter und Kammermusikpianist auf  - und will das weiterführen, solange mir Kraft und Konzentrationsfähigkeit dafür gegeben sind.

Natürlich lasse ich mein Spiel kontrollieren, indem ich mir von meinen musikalischen Partnern immer ein genaues „Feedback“ erbitte. Und ich kontrolliere mich selbst, indem ich meine Konzerte aufnehme und mir genauestens anhöre. Natürlich über  „Naturschallwandler“!

Christian Kluttig,
im April 2015   
 

       

Prof. Christian Kluttig
1943 in Dresden geboren

Studium an der Hochschule für Musik Dresden, Dirigent an den Opernhäusern Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) und Halle, anschließend GMD der Rheinischen Philharmonie und Stadttheater Koblenz. Zahlreiche Gastkonzerte und Aufnahmen

1998 Professor für Dirigieren Hochschule Dresden

ab 2000 ebenfalls Hochschule Leipzig, 2007 emeritiert

2007-15 Lehrauftrag für Dirigieren HfM Dresden.

Ab 2002 Beendigung der aktiven Tätigkeit als Dirigent wegen irreversibler Gehörserkrankung. Bis heute pianistische Tätigkeit als Liedbegleiter und Kammermusikspieler.